Es beginnt immer gleich – ein Moment der Verbundenheit, des Vertrauens, der Sicherheit. Ich bin voll und ganz da, offen, nahbar, fast schwerelos. Doch dann, fast unmerklich, verändert sich etwas. Ein kleines Zögern, ein nicht erwiderter Blick, ein unbedachtes Wort – und mein inneres Gleichgewicht gerät ins Wanken.
Plötzlich wird alles fragil. Eine unsichtbare Welle der Unsicherheit rollt heran, schwillt an, und bevor ich es überhaupt begreife, hat sie mich erfasst. Mein Körper spannt sich an, meine Gedanken rasen. Ein Flüstern setzt ein, leise, aber eindringlich: Du bist nicht genug. Du hast etwas falsch gemacht. Geh, bevor du gegangen wirst.
Und dann kommt der Reflex. Ein Schutzmechanismus, der längst tief in mir verankert ist. Ich ziehe mich zurück, bevor ich gestoßen werde. Ich distanziere mich, bevor mich jemand verlässt. Ich sehe plötzlich nur noch das Schlechte, die Fehler, die vermeintlichen Anzeichen für das Unvermeidbare. Ich stoße ab, bevor ich selbst verletzt werden kann.
Und es passiert überall. Nicht nur in der Liebe. In Freundschaften, in der Arbeit, in der Familie. Sobald eine Verbindung zu tief wird, sobald eine Situation zu sehr nach Nähe und Verlässlichkeit riecht, setzt es ein. Ich sehe Distanz, wo keine ist. Ablehnung, wo vielleicht nur Müdigkeit liegt. Und anstatt zu bleiben, renne ich.
Es fühlt sich an wie Kontrolle. Als hätte ich die Zügel in der Hand. Aber in Wahrheit verliere ich jedes Mal etwas. Momente, die hätten bleiben können. Menschen, die vielleicht niemals gegangen wären. Chancen, die ich mir selbst nehme.
Doch da ist auch Hoffnung. Ein Bewusstsein, das wächst. Ein Wissen darum, dass die Angst ein Echo der Vergangenheit ist, nicht der Gegenwart. Und vielleicht, eines Tages, kann ich stehen bleiben, wenn die Welle kommt. Vielleicht lerne ich, dass nicht jeder Schritt auf mich zu eine Bedrohung ist. Vielleicht lerne ich, nicht immer zuerst zu gehen.