Schlagwort: stereotypen

  • Mein unsichtbarer Sturm

    2–3 Minuten

    Borderline. Ein Wort, das vieles bedeutet und doch oft nur eine vage Vorstellung hinterlässt. Viele sehen das Klischee – Impulsivität, Selbstzerstörung, emotionale Achterbahn. Doch was ist, wenn der Sturm leise tobt? Wenn er nicht in Schreien oder Wutausbrüchen ausbricht, sondern in einem inneren Kampf?

    Ich nehme dich mit auf meine Reise – dorthin, wo Borderline nicht laut und zerstörerisch nach außen wirkt, sondern still an mir zehrt. Doch ich will dir nicht nur die Schatten zeigen. Denn inmitten des Chaos gibt es Farben. Es gibt Momente, in denen ich die Welt so intensiv spüre, dass sie mich fast überwältigt. Und genau für diese Momente stehe ich auf. Immer wieder.


    „Was, du hast Borderline? Man merkt es dir gar nicht an.“
    „Du bist nicht die typische Borderlinerin.“
    „Ich habe dich noch nie schreien gesehen – machen die nicht alles kaputt?“

    Sätze, die klingen wie harmlose Kieselsteine.
    Doch wenn sie auf mich prasseln, hinterlassen sie Spuren auf meiner Haut, in meinem Inneren.
    Ich weiß, sie sind nicht böse gemeint.
    Aber sie lassen mich fühlen, als würde man meinen Kampf nicht sehen.
    Als hätte ich keinen Grund, müde zu sein.

    Doch er ist da. Immer.

    Wie Nebel, der sich in jede Pore setzt.
    Wie eine zweite Haut, die mich umschließt und mir die Luft nimmt.
    Ich lächle, ich funktioniere, ich tue alles, damit du es nicht merkst.
    Aber jeder Morgen ist ein Kampf.
    Das Aufstehen – ein erster Sieg über etwas, das mich nach unten zieht.
    Meine Gedanken sind wie Fäden, die mich an mein Bett binden,
    die mich flüstern hören: „Bleib liegen. Es hat doch keinen Sinn.“
    Und doch stehe ich auf.

    Ich suche nach etwas, das mich ganz macht.
    Nach einem Puzzleteil, das endlich passt.
    Doch jedes Stück, das ich finde, hat falsche Kanten,
    falsche Farben,
    gehört nicht dorthin, wo ich es brauche.

    Und dann ist da diese Wut.
    Nicht laut, nicht brüllend, nicht nach außen gerichtet.
    Sondern eine Flamme, die tief in mir brennt.
    Sie frisst an mir, nagt an mir,
    flüstert mir zu, dass ich nie genug sein werde.

    Wenn ich meinem Borderline eine Farbe geben müsste, wäre es weiß.
    Nicht die reine, unschuldige Leere,
    sondern Weiß wie eine durchsichtige Folie,
    die sich zwischen mich und die Welt schiebt.
    Du siehst sie nicht, aber ich spüre sie jeden Tag.
    Sie dämpft alles, trennt mich von der Wirklichkeit,
    macht mich zu einem Geist in meinem eigenen Leben.

    Und dann kommt der Wind.
    Ein Windstoß, der mir meinen Blumenstrauß entreißen will.
    Mein Glück, meine Farben,
    meine zerbrechliche Sammlung an Lichtblicken.
    Er zerrt an mir, will mich umwerfen.
    Manchmal gelingt es ihm.
    Aber weißt du was?

    Ich stehe wieder auf. Immer.

    Weil es sich lohnt – für das Glück, für die Farben, für mich.

    Denn Borderline ist nicht nur Schmerz.
    Es ist auch Intensität. Es ist das tiefe Fühlen.
    Es ist die Fähigkeit, Schönheit in einer Tiefe wahrzunehmen, die andere vielleicht nie spüren werden.
    Es sind die Momente, in denen ich Farben sehe, Musik in meinem ganzen Körper fühle,
    die Welt nicht nur sehe, sondern erlebe.

    Nicht jeder erlebt Borderline gleich.
    Manche kämpfen laut, andere leise.
    Aber in all dieser Vielfalt liegt eine Wahrheit:
    Jeder Kampf ist echt. Jeder Weg ist anders.
    Und jeder Tag ist eine neue Chance, nach dem Licht zu greifen.