Schlagwort: selbstakzeptanz

  • Wald aus Gedanken

    Es ist, als würde mein Kopf nachts aufstehen, wenn alles still wird, und heimlich Geschichten schreiben. Geschichten, die nie geschehen sind – aber so echt klingen, dass mein Herz sie glaubt. Er malt Bilder an die Wände meines Denkens, mit groben Pinselstrichen aus Angst und feinen Linien aus Unsicherheit. Und ich? Ich stehe davor, betrachte sie und frage mich: War das wirklich so?

    Manchmal fühlt es sich an, als würde ich durch einen Wald gehen, der aus Gedanken besteht. Jeder Ast flüstert eine Frage, jedes Blatt trägt ein „Was wäre, wenn?“. Ich drehe mich im Kreis, verliere die Richtung, stolpere über Dinge, die gar nicht da sind – über Worte, die nie gesagt wurden, über Blicke, die ich falsch verstand, über Sorgen, die sich lautlos in mein Ohr schleichen.

    Ich arbeite mit Kindern. Sie sind wie klares Wasser. Sie sagen, was sie denken, zeigen, was sie fühlen. Es gibt keinen doppelten Boden, keinen versteckten „Zwischenton“. Bei ihnen ruht mein Herz. Aber sobald Erwachsene sprechen, wird jedes Wort zu einem Schatten. Ein kleiner Nebensatz kann zu einem Gewitter werden. Eine Pause zwischen zwei Sätzen – genug, damit mein Kopf beginnt, Geschichten zu schreiben.

    „Was, wenn sie mich nicht mögen?“
    „Was, wenn ich zu laut, zu leise, zu viel bin?“
    „Was, wenn das alles meine Schuld ist?“

    Mein Kopf, dieser listige Erzähler, spinnt Netze aus Zweifel, sodass selbst die Luft um mich zu flimmern beginnt. Ich möchte schreien – nicht aus Wut, sondern aus Überforderung. Ich möchte sagen: „Hör auf! Ich will Klarheit, ich will Ruhe.“

    Und doch bleibe ich still.
    Ich atme. Ich spüre. Ich beobachte.
    Und irgendwann, leise wie das erste Licht am Morgen, verstehe ich:

    Es ist nur mein Kopf.
    Er ist nicht mein Feind. Er will mir nichts Böses. Aber er sieht Geister, wo keine sind.
    Und ich? Ich lerne, ihm zuzuhören, ohne alles zu glauben.

    Er will mich schützen, vielleicht –
    aber er hat vergessen, dass ich längst nicht mehr das Kind bin,
    das sich vor allem fürchtet.

    Ich sehe ihn jetzt.
    Ich erkenne seine Maske.
    Und inmitten der lauten Gedanken
    gibt es auch mich.

    Mich – mit einem Herzen, das spürt,
    mit Augen, die sehen wollen,
    mit einer Seele, die gelernt hat,
    nicht jedem Schatten zu glauben.

    Ich lasse mich nicht mehr täuschen.
    Es ist nur mein Kopf – dieser listige Erzähler.
    Und ich erkenne, dass ich nicht falsch bin.
    Ich bin nicht der Fehler.
    Ich bin nur ich.
    Und das reicht.

    Und so gehe ich weiter,
    mit leisen Schritten,
    durch meinen Wald aus Gedanken –
    aber diesmal mit einer kleinen Laterne aus Vertrauen in der Hand.

    Denn tief in mir leuchtet etwas,
    das mein Kopf nicht kennt:
    Hoffnung.
    Und sie ist stärker,
    als jeder seiner Streiche.