Kategorie: Poesie

  • Nur kurz glücklich – und trotzdem genug

    Ein persönlicher Text über goldene Momente, das Glück – und die Angst, es zu verlieren.

    Ich habe keine Ahnung, wie man Glück festhält – aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn es plötzlich da ist.

    Denn Glück ist für mich kein großes Feuerwerk. Kein perfekter Instagram-Moment mit Filter und Bedeutung.
    Glück ist leise.
    Glück ist leicht.
    Glück ist Gold.

    Ein Atemzug, in dem ich mich frei fühle. Ein Lied, das mich mitnimmt. Eine Stunde, in der mein Kopf nicht denkt, sondern einfach ist.
    Freiheit ist, wenn ich aufhöre zu überdenken.
    Wenn ich tanze, ohne mich zu fragen, wie das aussieht.
    Wenn ich bei einem Konzert stehe, mit einer Zigarette in der Hand und einem Beat im Körper, der mich fühlen lässt, dass ich lebe.

    Glück sind die kleinen Dinge.
    Ein Abend mit Freund:innen, ein Glas Wein, ein See, der nach Sommer riecht.
    Das Knistern eines Feuers, das Lachen um mich herum.
    Meine Katze, die sich an mich kuschelt, als wüsste sie, was ich gerade brauche.
    Sex, bei dem ich nicht denken muss – bei dem alles einfach leicht ist.

    Und ja, Glück macht süchtig.
    Dieses Gefühl, dass alles kurz stimmt, dass das Leben nicht schwer ist.
    Dass ich bis zum Schluss auf der Party bleibe, weil ich da bin – im Moment.

    Aber dann kommt er.
    Der Gedanke.
    Der Zweifel.
    Der Sturm.

    Ich komm zur Ruhe – und denke: Das hier ist zu ruhig. Wahrscheinlich ist es nur die Pause vor dem nächsten Chaos. Ich bereite mich vor auf den Sturm, auf den Knall, auf das, was ich übersehen habe.
    Ich suche nach dem Haken.
    Nach dem doppelten Boden.
    Nach dem Grund, warum ich mir dieses Glück nicht ganz erlauben darf.

    Was, wenn ich nur kurz glücklich bin?

    Ich habe gelernt, wie sich der Sturm im Kopf anfühlt.
    Wenn das Aufstehen schwer ist.
    Wenn selbst Zähneputzen zu viel ist.
    Wenn alles zu laut ist, obwohl es still ist.
    Wenn ich mich frage, was die anderen denken, und gleichzeitig zu müde bin, überhaupt aufzustehen.

    Und trotzdem sage ich mir:
    Heute wird ein schöner Tag.
    Nicht, weil ich’s glaube. Sondern weil ich’s will.
    Weil ich daran glaube, dass Worte Macht haben.
    Weil ich gelernt habe, dass Dinge manchmal wahr werden, wenn man sie oft genug sagt.
    Wie Julia Engelmann. Die einmal sagte, man solle sich selbst versprechen, das Leben zu umarmen.
    Ich versuche das. Jeden Tag ein bisschen mehr.

    Ich glaube an das Gute, auch wenn es sich versteckt.
    Ich glaube an „trust the process“,
    auch wenn der Prozess manchmal eine Achterbahn ohne Anschnallgurt ist.

    Und ich glaube, dass Glück kein Dauerzustand sein muss, um echt zu sein.
    Dass es okay ist, wenn es nur Momente sind.
    Glück ist nicht die ganze Geschichte – aber es sind die schönsten Sätze darin.

    Vielleicht muss ich das Glück gar nicht festhalten.
    Vielleicht muss ich nur aufhören, es zu bekämpfen.
    Vielleicht reicht es, es zu erkennen, wenn es da ist.

    Vielleicht bin ich nicht nur kurz glücklich.
    Vielleicht bin ich einfach:
    jetzt glücklich.

    Und vielleicht – reicht das.

  • Ich gehe, bevor du gehst

    Es beginnt immer gleich – ein Moment der Verbundenheit, des Vertrauens, der Sicherheit. Ich bin voll und ganz da, offen, nahbar, fast schwerelos. Doch dann, fast unmerklich, verändert sich etwas. Ein kleines Zögern, ein nicht erwiderter Blick, ein unbedachtes Wort – und mein inneres Gleichgewicht gerät ins Wanken.

    Plötzlich wird alles fragil. Eine unsichtbare Welle der Unsicherheit rollt heran, schwillt an, und bevor ich es überhaupt begreife, hat sie mich erfasst. Mein Körper spannt sich an, meine Gedanken rasen. Ein Flüstern setzt ein, leise, aber eindringlich: Du bist nicht genug. Du hast etwas falsch gemacht. Geh, bevor du gegangen wirst.

    Und dann kommt der Reflex. Ein Schutzmechanismus, der längst tief in mir verankert ist. Ich ziehe mich zurück, bevor ich gestoßen werde. Ich distanziere mich, bevor mich jemand verlässt. Ich sehe plötzlich nur noch das Schlechte, die Fehler, die vermeintlichen Anzeichen für das Unvermeidbare. Ich stoße ab, bevor ich selbst verletzt werden kann.

    Und es passiert überall. Nicht nur in der Liebe. In Freundschaften, in der Arbeit, in der Familie. Sobald eine Verbindung zu tief wird, sobald eine Situation zu sehr nach Nähe und Verlässlichkeit riecht, setzt es ein. Ich sehe Distanz, wo keine ist. Ablehnung, wo vielleicht nur Müdigkeit liegt. Und anstatt zu bleiben, renne ich.

    Es fühlt sich an wie Kontrolle. Als hätte ich die Zügel in der Hand. Aber in Wahrheit verliere ich jedes Mal etwas. Momente, die hätten bleiben können. Menschen, die vielleicht niemals gegangen wären. Chancen, die ich mir selbst nehme.

    Doch da ist auch Hoffnung. Ein Bewusstsein, das wächst. Ein Wissen darum, dass die Angst ein Echo der Vergangenheit ist, nicht der Gegenwart. Und vielleicht, eines Tages, kann ich stehen bleiben, wenn die Welle kommt. Vielleicht lerne ich, dass nicht jeder Schritt auf mich zu eine Bedrohung ist. Vielleicht lerne ich, nicht immer zuerst zu gehen.

  • Wie würde meine Biografie heissen?

    2–3 Minuten

    Gestern las ich einige Blogs zu dieser Frage, und nun stelle ich sie mir selbst: Welches Wort, welcher Satz, welches Bild könnte mein Leben einfangen? Ein Titel, der meine Geschichte erzählt, sie in wenige Worte fasst, ihr einen Rahmen gibt. „Die Narben meiner Eltern“ – ein Echo der Vergangenheit, das in meiner Gegenwart nachhallt. Oder vielleicht etwas mit einem Augenzwinkern? „Achterbahn ohne Sicherheitsbügel „– chaotisch, unberechenbar, aber doch irgendwie faszinierend?

    Doch wäre das gerecht? Wäre das alles?

    Bevor ich meine Selbstfindung und all die Themen hier im Blog anschneide, muss man mich vielleicht erst verstehen. Oder vielmehr: Ich muss es selbst verstehen. Wo ich herkomme. Warum ich so geworden bin, wie ich bin. Vielleicht nicht ihr, aber ich.


    Ein Haus aus Scherben

    Ich bin in einem Zuhause aufgewachsen, das keines war. Ein Käfig aus Lautstärke, aus Worten, die scharf wie Klingen waren. Die Luft vibrierte vor unausgesprochenem Schmerz, Wut zersprang wie Glas auf kaltem Boden. Ich hörte die Schreie meines Vaters, das Klirren einer Tasse, das Splittern einer unsichtbaren Grenze. Meine Schwester und ich, eng umschlungen auf der Treppe, Tränen als stumme Zeugen auf unseren Wangen.

    Und da war meine Mutter – einst meine Welt, mein Anker. Ich habe sie geliebt, wie nur ein Kind es kann. Ich klammerte mich an sie, zog Trost aus ihrer Nähe, sehnte mich nach jedem Blick, jedem Moment. Doch irgendwann riss etwas. Sie, die einst für mich kämpfte, wurde zur Gegnerin. Kontrolle wurde ihr Schutzschild, Strenge ihre Sprache. Die Löwin, die mich einst beschützte, sah mich nun mit fremden Augen an. Und ich stand verloren da.


    Tanz auf den Splittern

    Kennst du das Gefühl, nicht zu wissen, wohin du gehörst? Ich war jung, als ich mich in mir selbst verlor. Suchte nach Halt in der Nacht, in der Kälte, in den Schatten. Versteckte meine Angst hinter lautem Lachen, meine Wut hinter stillen Narben. Ich wollte anders sein, wollte verschwinden, wollte schreien – doch meine Stimme verhallte in den Fluren dieses Hauses, das kein Zuhause mehr war.

    Jeder ging seinen Weg – mein Vater in die Arbeit, meine Schwester ins Leben, meine Mutter in ihre eigene Welt. Und ich? Ich blieb zurück, gefangen in einem Labyrinth aus Schuldgefühlen, aus Fragen, die niemand beantwortete. War ich schuld? War ich zu viel? Oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort?


    Zwischen den Zeilen – Ein neuer Titel

    Doch wenn ich heute zurückblicke, sehe ich nicht nur Dunkelheit. Ich sehe das Mädchen, das trotz allem gelacht hat. Das immer noch lieben konnte, auch wenn es Angst hatte. Ich sehe den Mut, der sich in leisen Schritten zeigte – in Momenten, in denen ich mich für das Leben entschied. Für Hilfe, für Heilung, für mich selbst.

    Vielleicht ist mein Leben keine Geschichte von Narben, sondern eine von Wachstum. Vielleicht ist mein Titel nicht „Die Narben meiner Eltern„, sondern „Zwischen den Zeilen – Ein Leben voller Umwege, Narben, Liebe und Hoffnung.“

    Wie würde deine Biografie heissen?